Landwirtschaft in Südtirol: Reiche Ernte für Obst und Gemüse

Obst und Gemüse gedeihen in Hülle und Fülle. Die starke Sonneneinstrahlung lässt Weizen und Wein noch in großen Höhen reifen. Die Bewässerung ist genial gelöst.

In Südtirol findet sich mit über 18 400 ha das größte zusammenhängende Apfelanbaugebiet Europas. Es reicht von Mals im Vinschgau durch das Etschtal bis nach Salurn an der Weinstraße. Kilometerweit ziehen sich die niedrigen Baumreihen schnurgerade durch die Täler. Wo früher einmal 300 ausladende Bäume pro Hektar wuchsen, werden heute bis zu 3000 kaum mannshohe Zwerge angepflanzt. Der moderne Baum hat dünne Zweiglein, alle Kraft geht in die Früchte, die wegen der geringen Pflanzengröße bequem zu ernten sind.
Wie der ›Südtiroler Speck‹ ist auch der ›Südtiroler Apfel‹ eine geschützte geografische Angabe (g.g.A.). Elf Apfelsorten gehören dazu, darunter Golden Delicious, Gala, Braeburn, Fuji, Granny Smith und Elstar. Die einzigartige Südtiroler Wärme bringt die Farben der Äpfel zum Leuchten und in den Früchten eine starke Süße hervor. Welchen Überfluss die Natur über diesen Landstrich ausschüttet, spürt man am besten im Frühjahr, wenn die Apfelblüte die Täler in einem zartrosa schimmernden Blütenmeer versinken lässt. Im Herbst folgt eine Explosion an Fruchtbarkeit, wenn so viele rotbackige Äpfel an den dünnen Zweigen hängen, dass diese gestützt werden müssen.

Wärmestau im Tal

Neben dem Etschtal ist der Vinsch­gau das Hauptanbaugebiet für Obst. Er verläuft vom Reschenpass bis nach Meran trotz seiner Breite tief eingeschnitten zwischen den ungeheuren Steinmassen der Ötztaler Berge im Norden und der Ortlergruppe im Süden. Gegen die kalten Winde aus dem Norden ist er gut abgeschirmt, aber auch die feuchte Meeresluft kommt nicht ins Tal, was zu extremer Trockenheit, Gluthitze im Sommer und Eiseskälte im Winter führt. Äpfel und Wein lieben die Wärme, und die Gesteinserosion durch die starken Temperaturschwankungen macht die Böden sehr mineralienreich. 

Wandern auf Waalwegen

Gegen die Trockenheit setzen die Südtiroler seit langer Zeit ein ausgeklügeltes System, mit dem sie die fruchtbaren Böden bewässern. Schon im 12. Jh. kamen die sogenannten Waale auf, kunstvoll angelegte Kanäle, die die Neigung der Hänge ausnutzten, um das Wasser nach einem genau festgelegten Plan auf die verschiedenen Felder und Plantagen zu verteilen. Wenn das Wasser nicht richtig lief, alarmierten Glöckchen an den Wasserrädern, Waalschellen genannt, die Hüter der Kanäle, die in den Waalerhütten übernachteten.
Das System der Waale ließ im trockenen Südtirol eine Kulturlandschaft entstehen, die ihresgleichen sucht, weil sie sich genial die Verbindung von Wärme und Fruchtbarkeit zunutze machte. Heute kann der Besucher auf den alten Waalwegen längs der Wasserläufe die Bergbauernwelt Südtirols entdecken. Mit geringer Steigung verlaufen sie aussichtsreich an den sonnenüberfluteten Hängen. Der längste von ihnen, der Marlinger Waalweg, verläuft über 12 Kilometer zwischen Töll und Oberlana.