Stadttürme wie in Brügge und Gent gehören zu den wichtigsten Bauwerken flämischer Städte und überragen selbst die höchsten Kirchtürme. Sie sind Symbole eines mächtigen Bürgertums.
Türme bestimmen die Silhouetten flämischer Städte. Sind erst einmal alle Kirchtürme identifiziert, bleibt der höchste und schönste übrig: der Belfried, ein Glockenturm (nl. Belfort). Die Geschichte dieser Stadttürme beginnt im Mittelalter, als die Städte zwischen dem 12. und 15. Jh. ihre Blütezeit erlebten. Vor allem Brügge, Gent und Ieper waren Zentren des Handels. Ihr Hauptgeschäft war der Import englischer Wolle, woraus die Leineweber das begehrte flämische Tuch herstellten. Darüber hinaus kam alles auf den Markt, was zwischen Sizilien und dem Polarkreis, vom Atlantik bis zum Ural produziert wurde: Pelze und Wein, Gewürze und Seide, Stockfisch und Bernstein.
Das Goldene Zeitalter Flanderns
Die Kaufleute und Manufakturbesitzer bildeten bald mächtige Verbände: die Hanse, die den Handel kontrollierte, und die Gilden, in denen die Handwerksmeister organisiert waren. Und bald wuchsen sie auch zu einer politischen Macht heran. Nur folgerichtig, dass die Tuchhalle, die Lakenhalle, zum bedeutendsten und schönsten Bauwerk der Stadt wurde. Um ihre Vormachtstellung den Fürsten und der Kirche gegenüber zu bekräftigen, schmückten die Kaufleute sie mit einem Turm. Die ersten waren noch aus Holz. Ab dem 13. Jh. wurden sie in Stein ausgeführt und so prächtig verziert, dass sie mit den Kirchtürmen konkurrierten.
Die Stadttürme von Brügge und Gent
Vor allem Brügge und Gent lieferten sich über Jahrhunderte ein Wettrennen um den bedeutendsten und schönsten Belfried – schwer zu sagen, welche Stadt gewonnen hatte. Der Genter Turm ist zwar 8 m höher als jener von Brügge, der jedoch genießt das Privileg, der ältere von beiden zu sein.
Die schlanken, hohen Türme waren aber nicht nur Schmuck, sondern erfüllten auch zentrale Aufgaben für das Gemeinwesen. Oben hielt ein Wächter Ausschau, ob vielleicht irgendwo Flammen aufloderten oder sich ein Feind der Stadt näherte.
Der gut befestigte Belfried war zudem der richtige Ort zur Aufbewahrung wichtiger städtischer Dokumente wie des Freibriefs sowie des Stadtsiegels. Oft hatte die Tür zu diesem Gelass mehrere Schlösser, deren Schlüssel jeweils im Besitz verschiedener Gilden waren. Und weil ein Gebäude, das einbruchsicher ist, auch ausbruchsicher ist, war im untersten Gelass oft zugleich das Stadtgefängnis eingerichtet.
UNESCO-Welterbe: Stein gewordene Geschichte
Als Gesamtheit wurden 30 belgische Belfriede im Jahr 1999 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen: als außergewöhnliche Beispiele städtischer Architektur, die die politische und geistige Strömung ihrer Zeit, den Übergang in eine städtische Gesellschaft und die Unabhängigkeit der Städte von feudaler Herrschaft symbolisieren.