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Jugendstil in Brüssel: Architektur und Museen

In der belgischen Hauptstadt sind rund 1500 Gebäude in dem schwungvollen, floralen Stil des Art Nouveau erhalten. Spaziergänge führen zu den schönsten Architektur-Ikonen. In Brüssel ist der Jugendstil lebendig!

Als sich Belgien im 19. Jh. seine Unabhängigkeit von den Niederlanden erkämpft hatte, begann eine beispiellose Blütezeit. Kohle und Stahl, Rohstoffe aus der Kolonie Kongo, neue Wasserstraßen und die erste Eisenbahnlinie des Kontinents – in puncto Wirtschaftskraft konnte es Belgien mit den großen Industrie­nationen der Welt aufnehmen. Und die Bürgerschicht drängte darauf, ihren Wohlstand zur Schau zu stellen. 

Die Anfänge des Art nouveau in Brüssel

Innerhalb weniger Jahrzehnte veränderte Brüssel sein Gesicht. Der Fluss Senne wurde überbaut. Breite Boulevards mit Prachtbauten entstanden. Während neue Wohn- und Geschäftshäuser ältere Baustile zitierten, ging die Industrie­architektur dank moderner Werkstoffe andere Wege. Schlanke Säulen aus Gusseisen konnten Stützwände ersetzen, Glas machte Wände und Dachflächen transparent. So entstanden Fabrikhallen und Kaufhäuser, in die das Licht hereinströmen konnte. Licht, Luft, Sonne waren die Ideale der neuen Generation von Architekten. Art nouveau, das war Baudekor nach der Natur: Pflanzliche Formen und schwingende Linien charakterisierten den Baustil, der auch als Jugendstil bekannt ist. 

Victor Horta, der bedeutende belgische Jugendstil-Architekt

In Brüssel tat sich Victor Horta (1861–1947) als Architekt des Jugendstils ­hervor. Er schmückte seine Häuser mit Wandbildern und Mosaiken, Bogenfenstern mit lackierten Sprossen, schmiedeeisernen Fenster- und Balkongittern in schwingenden Formen, Lampen in Blütenform. Frühe Beispiele seines Schaffens sind die Maison Autrique im Stadtteil Schaerbeek (266, Chaussée de Haecht). Victor Horta vollendete dieses Haus 1893, im selben Jahr wie das Hôtel Tassel. Dies waren die ersten Jugendstilhäuser Brüssels, und sie wirkten stilbildend für spätere Bauten. Heute ist die originalgetreu restaurierte Maison Autrique als Museum zugänglich und zeigt Wechselausstellungen zum Jugendstil und zu Comics in Brüssel. Viele weitere schöne Architketur-Ikonen lassen sich bei einem Spaziergang entdecken.

Jugendstil-Spaziergänge durch Brüssel

In Brüssels Innenstadt bieten sich das Comic-Zentrum und das Warenhaus Old England, heute MIM Musée des Instruments Musique, an, um den Baustil kennenzulernen. Auch Res­taurants wie ›Le Cirio‹ im Börsenviertel sind Juwelen des Jugendstils. Die schönsten Bauten des Art nouveau aber konzentrieren sich in den östlichen und südlichen Stadtvierteln, die wegen ihrer Parks und breiten Alleen noch immer zu den bevorzugten Wohngegenden gehören: etwa die Straßen rund um den Square Ambiorix und den Square Marie-Louise. 
Südwestlich der Avenue Louise, im Stadtteil St-Gilles, stehen Meisterwerke von Victor Horta, die heute zum UNESCO-Welterbe gehören: das Hôtel Tassel, das Hôtel Solvay und sein eigenes Wohnhaus, das heutige Musée Horta. In der Nähe befindet sich das von Jules Brunfaut erbaute Hôtel Hannon, in dem der Espace Photographique Contretype Fotoausstellungen zeigt. Ganz nebenbei kann man das Treppenhaus mit einem sehnsüchtig in die Ferne blickenden Jüngling betrachten, eine Perle der mystischen Malerei jener Zeit.