1857 entschied Kaiser Franz Joseph I., die Befestigungsmauern für eine Stadterweiterung großen Stils zu schleifen. Die geplante Ringstraße sei die Erhöhung Wiens zur Großstadt, jubelten die einen, die anderen höhnten von der Demolierung zur Großstadt, und tanzten die ›Demolierer-Polka‹ von Johann Strauss. Die 4 km lange, 57 m breite Ringstraße mit Repräsentationsbauten für Regierung, Kunst und Wissenschaft sowie etwa 800 Wohngebäuden wurde 1858 begonnen und 1865 der Öffentlichkeit übergeben.
Ihre verschiedenen Abschnitte entwickelten sich zu Domänen des Hochadels, der Finanz- und Industriearistokratie und der Großkaufleute. So geriet die pompöse Anlage zum Spiegel der Aufstiegseuphorie des Bürgertums. Hier bauten rund 80 handverlesene Architekten, darunter Ferstel, Hansen, Hasenauer und Semper. Das Gemisch ihrer verschiedenartigen Stile gab Anlass zu Spott: Neogriechisch war das Parlament, neorömisch die Börse, neogotisch das Rathaus, der Neorenaissance verpflichtet Karlskirche, Burgtheater, Staatsoper und Neue Hofburg. Dazwischen postiert sind Statuen und Denkmäler von Pallas Athene über Maria Theresia bis zu den Sozialisten der ersten Stunde. Es schien aus dem Geist dieser melodramatischen Prunkstraße geboren, dass sie 1879 Kulisse für den legendären Festzug in Renaissancetracht zur Silberhochzeit des Kaiserpaares war. Diesen prächtigen Umzug hatte der Malerfürst Hans Makart nach den Illustrationen Dürers für den Maximiliansfestzug gestaltet.
Die Neubewertung des Ringstraßen-Historismus ist längst erfolgt. Heute weiß man die in Europa vergleichslose Rauminszenierung zu schätzen, bewundert die architektonische Qualität der Bauten und die Strahlkraft des Gesamtkunstwerks.